Ausstellungen
Junge Kunst 2009
> Ansprache Michael Becker / Schulleitung
Jede der folgenden Arbeiten ist in anderthalb Stunden entstanden!
Lilia Steigel, 15 Jahre
Luca Gruber, 13 Jahre
Abel Paige, 8 Jahre
Lili Sikora, 8 Jahre
Leon Kaltenschnee, 8 Jahre
Jenny Ferrer, 8 Jahre
Bryan John, 5 Jahre
Rede Michael Becker, Schulleitung
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder,
ich begrüße Sie recht herzlich zur Ausstellung „Junge Kunst 2009“!
Bevor ich Ihnen die jungen Künstler einzeln vorstelle, möchte ich Ihnen gerne unseren Bildungsauftrag erklären, den wir mit den Juniorenklassen verbinden.
Alle sprechen heutzutage von Bildung, aber was sagt dieser Begriff eigentlich aus? Ist damit ein angehäuftes Wissen gemeint? Sicherlich nicht oder nicht nur. Das akkumulierte Wissen ist wertlos, solange es nicht dem Menschen in der Entwicklung seiner Persönlichkeit dienlich ist.
Bildung bedeutet, ein waches und offenes Auge zu haben. Damit setzt Bildung am Sinnlichen, am Ästhetischen an. Die Offenheit für Neues, die damit verbundene Neugierde sind ästhetische Grundvoraussetzungen für Bildung, für die Erfahrungsfähigkeit von Neuem. Viele Mechanismen in einer Gesellschaft können dieses natürliche offene Verhältnis zur Umwelt stören oder gar verhindern. Die Aufgabe eines Unterrichtes ist es entsprechend, zu befreien und vorhandene Neugierde zu stärken und zu beflügeln.
Worauf es uns vor allem ankommt ist, dass die Kinder und Jugendlichen der Juniorenklassen nicht mit einem gleichen, sondern im Gegenteil mit einem sehr unterschiedlichen Bild nach Hause gehen – und das bei einem für jeden verbindlichen gleichen Thema. Die Bilder sollen nicht aussehen, als hätten sie Erwachsene vorgemalt und die Kinder nur noch abgepinselt. Kinder würden um ihre eigene authentische Ausdrucksfähigkeit betrogen, wenn sie sich an irgendwelche von Erwachsenen vorgegebenen Normen halten müssten. Es geht nicht darum, die Kinder zu konditionieren, sondern sie zu einem eigenständigen Erfahrungsprozess anzuregen.
Vielen Eltern ist es ein Anliegen, dass ihr Kind lernt, einen Gegenstand oder eine Landschaft naturgetreu abzumalen. Dabei müssten sie wissen, dass in keiner Periode der Kunstgeschichte diese Fähigkeit als Kunst gesehen wurde. Für viele aber ist das gerade Kunst. Allerhöchstens ist es ein manchmal sogar ganz brauchbares Kunsthandwerk. Bildungspotential steckt in diesem Können aber nicht.
Wenn man genauer analysiert, ist es dem Menschen überhaupt gar nicht möglich, die Realität abzubilden. Jedes Bild, selbst das realistischste, ist eine Abstraktion, eine Illusion.
Bildung hat vielmehr etwas mit Strukturerfassung zu tun, also mit geistigen Prozessen, die sich sinnlich äußern. Die Erfassung von Gestalt und Ausdruck, von Aura ist etwas ganz anderes als das stupide Abfriemeln des Gesehenen.
Das, was für die Bildung jedes Einzelnen zählt, ist lebendige Phantasie, Mut zu ungewöhnlichem Sehen, Denken, Fühlen. Daher sind uns die Kinder ein Vorbild, da sie diese Fähigkeiten noch besitzen. Weniger sollten wir uns anmaßen zu glauben, wir würden ihnen das Richtige schon einpflanzen können.
Jetzt würde ich Ihnen gerne die einzelnen Kinder persönlich vorstellen.
Leon Kaltenschnee (8 Jahre) ist ein sehr geduldiger und konzentrierter junger Künstler. Leon nimmt sich jeden Themenvorschlag sehr zu Herzen und denkt erst einmal sehr lange nach. Dabei entscheidet er eindringlich, ob er das Thema tatsächlich bearbeiten oder lieber einen Alternativvorschlag durchdenken möchte. Sodann hat er sich aber entschieden und das Motiv in seiner Vorstellung zurechtgelegt. Ebenfalls sehr geduldig und konzentriert realisiert er dann sein Bild.
Der Ausdruckscharakter seiner Bilder ist sehr eigenwillig und individuell. Seine Pinselführung ist lebendig und malerisch. Seine Ideen sind unkonventionell, oft gezielt gegen Normalitätserwartungen gerichtet. Spitzenreiter sind seine beiden gelben Portraits, in denen sich sein Können ausdrucksstark verdichtet.
Luca Gruber, gerade 14 Jahre geworden, ist ein begeisterter und überaus talentierter Maler. Dass er von der Zeichnung kommt, ist unverkennbar. Sein malerisch-technischer Experimentierwille ist ungebremst. Immer wieder muss er neue Möglichkeiten ausprobieren, Farbe andersartig auf die Leinwand zu bringen. Seiner Aussage nach sei es voll cool, ein fotografisches Gedächtnis zu haben. Dieses nutzt er dann auch, um es spielerisch in seine Malerei zu übertragen und seinem Bedürfnis nach phantasiereicher Gestaltung gerecht zu werden.
Lilia Steigel, mittlerweile 16 Jahre, seit vielen Jahren mit der wfk verbunden, selbst heute leider nicht anwesend, macht gerade einen 10-monatigen Besuch in Japan, geht dort zur Schule, lernt die japanische Sprache und Kultur und hat offensichtlich sehr viel Freude daran. Sie lässt uns alle recht herzlich grüßen.
Lilia geht vollkommen unbeschwert an die Themen heran. Ihr Feingefühl für Farbe ist absolut beneidenswert. Die meisten Bilder dieser Ausstellung sind übrigens innerhalb zweier Schulstunden entstanden, also so gesehen alla prima. So auch Lilias Arbeiten, was man bei manchen nicht glauben mag.
Ihre Farbgebung und Kompositionen verweisen den Betrachter in traumartige, oft abstrakte Landschaften. Auf der anderen Seite erfindet sie konkrete Szenen, wie unser Leitmotiv mit den Füchsen unter dem Titel "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm". Ihre Vielseitigkeit ist ein Zeugnis dafür, dass sie ihre Kindheit bis in ihr allmähliches Erwachsenwerden bewahren konnte. In jedem Falle sind ihre Bilder tief gefühlt und gekonnt umgesetzt.
Lili Sikora (8 Jahre alt) kommt gelegentlich in den Malkurs. Von sich aus regt sie ihre Mutter an, sie wieder einmal vorbeizubringen, weil sie in der Kunstschule malen möchte. Ihre Experimentierfreude ist sehr groß, und jede neue Erkenntnis über Farbe und unkonventionelle Motive nimmt sie begeistert auf. Lili ist stolz darauf, sehr intelligent zu sein. Mit der Malerei kann sie Spieltrieb und Ideenentwicklung miteinander verbinden und ausleben.
Jenny Ferrer (8 Jahre) ist erst kürzlich hinzugekommen. Sie ist auch eine begeisterte und begabte Malerin, wie es aussieht. Sie arbeitet sehr ruhig und geduldig, lässt sich von den Anderen nicht aus der Ruhe bringen. Ich hoffe, wir werden noch einige Zeit zusammenarbeiten können.
Dann Abel Paige (8 Jahre), er kommt gelegentlich vorbei; ein tolles Werk haben wir in dieser Ausstellung, nämlich den großartigen Adler, der nach links gewandt ist, nicht zu verwechseln mit dem nach rechts gewandten Adler von Luca, der ja ebenfalls großartig ist. Dann haben wir noch Bryan John (5 Jahre), für sein Alter fast schon zu aufgeweckt. Er wird fast wütend, wenn die Zeit es einfach nicht mehr zulässt, noch ein Bild und am besten noch ein Bild zu malen.
Alles in allem muss ich sagen, dass in unseren Kindern unglaubliche Potentiale stecken. Wir alle stehen in der Verantwortung, diese Potentiale zu erkennen und zu fördern. Die Substanz für eine kreative Gesellschaft ist da, es liegt an uns, sie zu bewahren.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit der Ausstellung und besten Dank!
Michael Becker, Schulleitung